Eine schöne Geschichte
Jaromar 1. und Jaromar 2. waren im 12. und 13. Jahrhundert slawische Fürsten von Rügen. Die slawischen Stämme, unter denen die Ranenoder Rugianer wohl die bedeutendsten waren, ließen sich schon seit dem 6. Jahrhundert auf der Insel nieder. Die neue Umgebung schuf beste Voraussetzungen, dass aus dem Völkchen, welches sich bisher von Viehaltung und Getreideanbau ernährte, kühne und streitbare Seefahrer wurden. Zeitgenössische Chronisten erwähnten mehrfach ihre zahlreichen Kriegs- und Beutezüge. Ohne Zweifel genossen auch die slawischen Bewohner bald und vielfältig die Vorzüge und Schönheit ihrer Insel. Von ihrer Jahrhunderte dauernden Präsenz künden uns noch heute in ihrer prolabischen Sprache, die dem Tschechischen und Polnischen eng verwandt ist, über 300 Ortsnamen auf Rügen.
Glücklicherweise ist es uns gelungen, Ihnen hier bisher unveröffentlichtes „historisches“ Bildmaterial zu präsentieren, welches uns und Ihnen aus dem Leben unseres Jaromar 1. und der damaligen Fürstin, rufen wir sie mit dem wunderschönen Namen Witzlawa, berichtet. Beide waren – so erzählen unsere Quellen – in Freud und Leid, Lieb und Fehde und über die Ereignisse ihre Herrschaft miteinander vereint.
Jaromar 1. also gehörte zu dem rugianischen Fürstengeschlecht, welches sich die Herrschaft auf der Insel mit den einflussreichen Priestern der slawischen Gottheit Swantewit teilte. Dass dabei den Swantewit-Hütern tatsächlich größere Macht zufiel, lässt sich heute nicht mehr beweisen, sondern lediglich vermuten. Unserem Jaromar, welcher die Fürstin Witzlawa mindestens so innig wie den Gott Swantewit verehrte, blieb immerhin die nicht zu verachtende Befehlsgewalt über seine Heerscharen zu Wasser und zu Lande. Witzlawa selbst stand dem ihr versprochenen Fürsten weder in Entschlusskraft noch in kriegerischen Fertigkeiten nach. An Wagemut war sie ihm angeblich sogar weit überlegen.
Die slawischen Herrscher von Rügen hatten mehrere Wälle und Burganlagen errichtet. Jaromar 1. lebte noch auf dem Rugard bei Bergen. Von dort aus ließen es sich Witzlawa und Jaromar nicht nehmen, regelmäßig auf den Zicker zu reiten – der Insellandschaft, zu der sich beide aufgrund ihrer sanften Hügelkuppen und dem weiten Blick auf Meer und Küste am meisten hingezogen fühlten. Die südöstliche Halbinsel Rügens sollte später, im Jahre 1295 von Jaromars Enkel – Jaromar 2. – an das Kloster Eldena bei Greifswald verkauft werden. Bis heute trägt sie daher noch den Namen Mönchsgut.
Aber bis dahin nahm die Geschichte noch einen kriegerischen und bedeutungsschweren Verlauf. Der Ostseeraum galt längst als wirtschaftlich lukrative Region. So war nicht zuletzt den Dänen und den Pommern das streitbare Slawenvölkchen ein Dorn im Auge. Im Bunde mit Heinrich dem Löwen, Herzog von Sachsen, gelang es im Jahre 1168 endlich dänischen und pommerschen Truppen, deren Tempelburg Arkona einzunehmen. Nach bisher nur vergeblichen Versuchen geschah dies unter der Führung des dänischen Königs Waldemar 1. und seinem Feldherrn Bischof Absalon von Roskilde. Unter dem Vorwand der Christianisierung wurde das slawische Heiligtum zerstört. Arkona musste übergeben und Rügen dem dänischen Herrschaftsbereich untergeordnet werden. Unser Jaromar 1. zeigte sich nun eher schlau als kriegswillig: Lohn seiner schnellen Unterwerfung war das Fortbestehen seiner Herrschaft. Die dänische Oberhoheit nahm er in Kauf, entledigte sich aber seiner eigenen Priester.
Statt dessen liess nun unser Fürstenpaar zahlreiche katholische Kirchen auf der Insel errichten, deren erste und bedeutendste die Bergener Marien-, Jaromar 1. eigene Pfalzkirche war. Sowohl aus Gehorsam als auch aus Besorgnis um das eigene Seelenheil war es notwendig, sich um Neugründung und Ausstattung der Gotteshäuser zu kümmern. Im Jahre 1193 gründete Jaromar 1. also auch das Bergener Nonnenkloster.
Jaromar 1. bestätigte im selben Jahre 1193 die erste Schenkung an das Kloster Dargun, welches ebenfalls unter seiner Herrschaft stand. Aus diesem sollte nach kriegerischer Zerstörung 1199 das Kloster Eldena hervorgehen. Jenes ließ er 1207 so reich ausstatten, dass es nach einer Urkunde von 1209 an Besitz und Einkünften recht beträchtlich war. Während einer einsamen Stunde an dämmrigen Steilküsten erzwang nun unsere Fürstin Witzlawa von ihrem Jaromar das Versprechen, die Ansiedlung sowohl slawischer als auch deutscher Bauern und Handwerker auf den bisher weithin ungenutzten Landstrichen um die Zisterzienserniederlassung zu gestatten. Als Folge dieser klugen Entscheidung erblühten sowohl Landwirtschaft und Handel und nicht zuletzt auch die Stadt Greifswald.
Unserem Jaromar blieb nur, sich bei seiner klugen Witzlawa mit weiteren lauschigen Stunden und der eigenhändigen Zubereitung leckerer Gaumenfreuden an luftigen Abendstränden zu bedanken. Ermuntert vom Weine begann unser Jaromar, über die Zukunft seiner Insel zu sinnieren, sah die Herrschaft seines Enkels Jaromar 2. voraussah, dass Jaromar 2. seine Herrschaft noch würde ausweiten können. Es schien ihm so, als würde sein Enkel im Jahre 1258 sogar mit lübischem Stadtrecht Ribnitz-Damgarten als Grenzbefestigung gegen Mecklenburg gründen. Mönchsgut und ganz Rügen sah er erblühen, als Jaromar 2. letztlich die Zollfreiheit für die Insel erklärte.
In diesem Moment – bis heute blieb ungeklärt aus welchem Grunde – erboste sich unsere Fürstin Witzlawa nahezu haltlos über ihren Jaromar. Sei es, weil sie seinen Aberglauben noch nie leiden mochte oder gar, weil sie in Jaromars Visionen seine Faulheit erkannte, Taten, zu denen ihm selbst Mut und Entscheidungskraft fehlten, seinem künftigen Enkel zu überlassen. Wir wissen heute nur, dass sich der Streit, welcher mit verletzender Schärfe geführt wurde, ein glückliches, weil versöhnliches Ende fand. Die Rügensche Herrschaft aber ging von diesem Tage an auf Witzlawa 1. über.